Das Coronavirus hat die Arbeitswelt fest im Griff. Viele Beschäftigte arbeiten im Home-Office, Besprechungen werden abgesagt. Wie kann die Betriebsratsarbeit unter diesen Umständen weitergehen? Sind jetzt Betriebsratssitzungen per Telefon- oder Videokonferenz möglich? Können Beschlüsse im Umlaufverfahren gefasst werden? 1. Wie kann in der Corona-Krise notwendige Betriebsratsarbeit organisiert werden, wenn Betriebsratssitzungen nicht mehr stattfinden können? Die aktuell bestehende Situation war so noch nie da und stellt auch für Betriebsräte eine besondere Herausforderung dar. Solange sie andauert, bleibt Arbeitgebern und Betriebsräten gar nichts anderes mehr übrig, als Regelungen des BetrVG zugunsten der Arbeitnehmer weit auszulegen, um den Weg für pragmatische Lösungen frei zu machen. Wo noch reguläre Betriebsratssitzungen möglich sind, sollten Betriebsräte Betriebsausschüssen oder Betriebsratsvorsitzenden per Beschluss erweiterte Kompetenzen für die Durchführung unumgänglicher Maßnahmen zuweisen. Können reguläre Sitzungen plötzlich nicht mehr stattfinden, sollten sich Betriebsräte auf elektronischem Weg darauf verständigen, wer welche Aufgaben durchführen soll und die hierfür notwendige Beschlüsse im Nachhinein fassen. Wichtig ist allerdings die Feststellung, dass auch während der Corona-Krise alle gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte uneingeschränkt weiter gelten. Betriebsräte sollten deshalb insbesondere keine von Arbeitgebern vorgelegten Betriebsvereinbarungen unterschreiben, mit denen sie auf Rechte verzichten oder hier Einschränkungen hinnehmen. 2. Können Betriebsratssitzungen ausnahmsweise als Telefon- oder Videokonferenzen abgehalten werden? Das BetrVG schreibt vor, dass Betriebsratssitzungen nicht öffentlich sind und dass Beschlüsse hier mit der Mehrheit der Anwesenden gefasst werden müssen. Diese gesetzlichen Vorgaben stehen Betriebsratssitzungen per Telefon- und Videokonferenzen entgegen, zumal hierbei die notwendige Vertraulichkeit nicht gewährleistet ist. Daran ändert aus juristischer Sicht auch die Erklärung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vom 23.3.2020 nichts. Diese Erklärung gibt nur dessen Auffassung wieder, stellt aber keine gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Telefon- und Videokonferenzen dar. Zudem stellt sie zulässige Abweichungen vom Präsenzprinzip unter den Vorgehalt, dass durch konventionelle Betriebsratssitzungen das Leben oder die Gesundheit von Betriebsratsmitgliedern gefährdet wird oder dass diese aufgrund behördlicher Anordnungen nicht möglich sind. Sind Betriebsratsvorsitzende der Meinung, dass die vom Bundesarbeitsminister genannten Voraussetzungen erfüllt sind, können sie die Gremien für die Diskussion anstehender Themen zu Telefon- oder Videokonferenzen einladen. Bei den Einladungen müssen die für reguläre Sitzungen vorgeschriebenen Formalien (Ladung aller Mitglieder, Übersendung einer Tagesordnung und Registrierung der Anwesenheit) beachtet werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass auch tatsächlich alle Betriebsratsmitglieder auf elektronischem Weg teilnehmen können. In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass Videokonferenz zwar wegen der vielfältigeren Kommunikationsmöglichkeiten empfehlenswert sind, dass deren Durchführung aber vielfach am Fehlen der notwendigen Endgeräte sowie an begrenzten Übertragungsraten scheitert. Deshalb werden wohl Telefonkonferenzen der Regelfall werden, die technisch einfacher zugänglich sind. In Telefon- oder Videokonferenzen können Betriebsräte alle anstehenden Themen diskutieren und hierzu per Abstimmung Meinungsbilder erstellen. Auf der Grundlage derartiger Abstimmungen können Betriebsratsvorsitzende gegenüber den Arbeitgebern Erklärungen abgeben und so handlungsfähig bleiben. Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, sollten diese Abstimmungen aus formalen Gründen in den nächsten regulären Betriebsratssitzungen wiederholt werden. 3. Können Beschlüsse im Umlaufverfahren gefasst werden? Wirksame Beschlüsse können nur in einer Sitzung gefasst werden, weil das BetrVG, die Möglichkeit von Umlaufverfahren nicht zulässt. Einer Überprüfung durch ein Arbeitsgericht halten diese Beschlüsse später aber nicht stand. Herausragend wichtige Beschlüsse, etwa zur Kurzarbeit, sollten deshalb unbedingt in einer (Sonder-)Sitzung gefasst werden. Ist deren Durchführung bedingt durch Corona nicht möglich, bleiben als Alternative wiederum Telefon- oder Videokonferenzen. 4. Wie können Betriebsräte die Beschlussfähigkeit herstellen, wenn Gremienmitglieder am Coronavirus erkrankt oder in vorsorglicher Quarantäne sind? Was ist, wenn nicht genügend Ersatzmitglieder zur Verfügung stehen? Es gilt auch bezogen auf Corona weiterhin der Grundsatz »Krank ist krank«: Ist ein Betriebsratsmitglied wegen Krankheit arbeitsunfähig und kann deshalb an einer Sitzung nicht teilnehmen, muss ein Ersatzmitglied geladen werden. Gleiches gilt, wenn eine Verhinderung aufgrund einer behördlich verfügten Quarantäne vorliegt. In diesen Fällen ist eine Teilnahme auf elektronischem Weg allerdings nicht ausgeschlossen. Werden persönliche Verhinderungen so zahlreich, dass die gesetzliche festgelegte Anzahl von Betriebsratsmitgliedern nicht mehr an Sitzungen teilnehmen kann, bleibt das Gremium noch solange beschlussfähig, wie die Mehrheit seiner gewählten Mitglieder zur Verfügung steht (beispielsweise bei einem neunköpfigen Betriebsrat mindestens fünf Personen). 5. Wie sieht es mit anstehenden Betriebsversammlungen aus, die alle Vierteljahre stattfinden sollten? Die Durchführung von Betriebsversammlung gehört zu den Amtspflichten jedes Betriebsrats. Sind Betriebsversammlung aufgrund gesundheitlich bedingter oder behördlich verfügter Versammlungsverbote nicht möglich, liegt kein Pflichtverstoß eines Betriebsrats vor. Er sollte dann aber die Beschäftigten über Aktuelles auf anderem Weg informieren. 6. Was sollten Betriebsräte beachten, um in dieser schwierigen Situation wirksam handeln zu können? Ein Patentrezept gibt es nicht. Eine gute Lösung zur Herstellung von Rechtssicherheit ist eine rechtsverbindliche und unwiderrufliche Erklärung des Arbeitgebers, dass er Betriebsratsbeschlüsse, die in der Zeit des Corona-Notstandes gefasst wurden, nicht aus formalen Gründen anfechten bzw. gerichtlich überprüfen lassen wird. Gleiches gilt für fristgebundene Beschlüsse, bei denen Zeitauflauf Zustimmung bedeuten würde. Diese Erklärung müsste auch nachträgliche Beschlussfassungen erfassen, die notwendig sind, um »Notfallentscheidungen« von Ausschüssen oder Vorsitzenden des Betriebsrats später in einer regulären Sitzung bekräftigten zu können. Um die in der Krisenphase handelnden Betriebsratsmitglieder persönlich zu schützen, müsste eine solche Erklärung zudem einen Verzicht auf Maßnahmen nach § 23 Abs. 1 BetrVG enthalten, die sich auf einschlägige Betriebsratsaktivitäten in der »Corona-Phase« beziehen. Mit Blick auf eine hoffentlich bald wieder eintretende Normalisierung der Situation sollte eine Arbeitgebererklärung zudem festzuschreiben, dass dieses besondere Verfahren danach ersatzlos entfällt und kein Präjudiz für den »Regelbetrieb« darstellt. Eine solche Erklärung können Arbeitgeber sehr schnell abgeben. Sind sie hierzu nicht bereit, kommt eine freiwillige Betriebsvereinbarung mit entsprechenden Inhalten in Betracht. Deren rechtskonformer Abschluss dauert aber länger und setzt die Durchführung einer Präsenzsitzung voraus, um auf der juristisch sicheren Seite zu sein. 7. Verändert sich der Handlungsspielraum von Betriebsräten durch eine solche Arbeitgebererklärung? Die Abgabe einer derartigen Erklärung des Arbeitgebers reduziert die Gefahr, dass sie später Beschlüsse von Betriebsräten unter Hinweis auf einen Verstoß gegen die Vorgaben des BetrVG anfechten. Zudem würde sie es Betriebsratsvorsitzenden beispielsweise ermöglichen, gegenüber dem Arbeitgeber Aussagen zu Entscheidungen des Gremiums abzugeben, die sie aus einem Meinungsbild oder aus einem (unwirksam) im Umlaufverfahren getroffenen Beschluss ihrer Betriebsräte ableiten.
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